Etappe 12 – Der Weg der Gegensätze. (Neu überarbeitet)

01.06.2014 – 24 Kilometer von Ages bis nach Burgos, der Hauptstadt der Provinz Burgos. Es ist auch heute wieder stark bewölkt, aber statt Regen begleitet mich Nebel.

 

Heute führt mich der Camino auf die Hochebene von Atapuerca. Sie zählt zu den wichtigsten Ausgrabungsstätten der Welt. Trocken, karg, steinig und nebelig präsentiert sich dieser Landstrich und doch pulsierte einst das Leben auf dieser Hochebene, davon zeugen Ausgrabungen von menschlichen Knochen, die bis zu 800.000 Jahre zurückreichen. So verschiebt sich das Leben im Wandel der Zeit. In saftiges Grünland haben sich dürre und Fels geschoben und in Wüsten fruchtbare Täler. Es ist etwas unheimlich hier oben und ein Holzkreuz kennzeichnet den Gipfel, der sich auf einer flachen und langgestreckten Bergkuppe befindet. Rod sitzt daneben und macht sich Notizen. Ich erinnere mich an Paulo Coelhos Reise auf dem Jakobsweg, an das umgestürzte Kreuz das er aufzustellen hatte. Der Boden um das Kreuz herum war mit Steinen erhöht, so wie er es im Buche schrieb. Der falsche Weg war, tiefer in den Boden zu graben, also suchte er nach dem richtigen Weg und er fand ihn, indem er den Boden hoch hob. Wenn man nicht tiefer in etwas eindringen kann, dann erweitere dein Umfeld. Dies ereignete sich aber viel später. Es muss die Gegend um den Cruz de Ferro gewesen sein, aus dessen Gipfel ein mächtiges Kreuz ragt und die Pilger dort, die von zuhause mitgebrachten Steine ablegen. Auch ich habe einen dabei, um ihn am Fuße des Kreuzes abzulegen.

Es ist kalt und nebelig. Ich warte nicht auf Rod, es drängt mich weiterzugehen und meine übrigen Freunde habe ich bereits kurz nach unserem Aufbruch am Morgen, hinter mir gelassen. Das Gelände führt nach unten und der Nebel beginnt sich zu lichten. Mein Knie kommt damit ganz gut zurecht. Dem sandigen und steinigen Untergrund folgt eine asphaltierte Straße auf der viel mehr Pilger als Fahrzeuge unterwegs sind. Die Landschaft um mich herum wird wieder fruchtbar. Weizenfelder begleiten mich, aber keine Bauernhöfe. Diese befinden sich in den Ortschaften. Es ist so anders als bei uns zuhause, wo sich das Ackerland um das Gehöft herum befindet. Ich komme in den kleinen Ort Cardenuela-Riopico. Gleich am Beginn empfängt mich eine Cafeteria. Ich verspüre Lust auf einen Kaffee und während dieser Zeit treffen auch Chris und Gina ein; wir gehen dann die letzten 16 Kilometer bis Burgos gemeinsam. Ich sehe auch wieder Sylvie und lerne Anita kennen, eine 44-jährige Holländerin die in Kanada lebt. Sie geht den Camino gemeinsam mit ihrem 21-jährigen Sohn Simon. Nicht unmittelbar zusammen, den Simon hat gleichaltrige Freunde gefunden, darunter auch Ashley die auch ich bereits kennengelernt habe. Sie finden sich aber doch immer wieder. Es ist diese Eigenheit die der Camino hat. Wie leicht kann man sich in diesem weiten Land verlieren und dennoch geschieht es nicht.

Wir nähern uns dem Industriegebiet von Burgos. Bis ins Zentrum sind es noch in etwa 12 Kilometer. Ich muss mich in der Schrittfolge bremsen, um in Sichtweite von Gina und Chris zu bleiben, was mir nicht immer leicht fällt. Der Himmel klart auf und stellenweise blickt schüchtern die Sonne hervor. Immer mehr Industriegebäude heften sich an den Weg, der vermutlich nicht zu den schönsten Strecken des Camino Frances zählen wird. Zum ersten Mal begleiten uns mehr Fahrzeuge als Pilger und bedrohlich wirken die Lastkraftwagen die in hohem Tempo an uns vorbei rasen. An einer Kreuzung, schon in einem der äußeren Stadtteile von Burgos, empfängt und eine Musikkapelle. Naja nicht wirklich, sie marschieren musizierend an uns vorbei und bald darauf sind wir auch schon im Zentrum, der Altstadt angekommen. Wir schlafen heute in der städtischen Albergue. Fünf oder sechs Euro, verlangen diese meistens für die Nächtigung. Diese hier wurde vor kurzen völlig neu saniert. Sie erstreckt sich auf fünf Stockwerke. Unsere Wanderschuhe verschwinden in einem in die Wand versenkbaren Regal. Mit dem Lift geht es hoch in den 3. Stock. Zwei Stockbetten stehen in einer Reihe. Die nächsten werden durch Wände getrennt und insgesamt sind es 24 Betten die in einen Raum untergebracht sind. Die Mauern trennen nur die Betten, seitlich sind sie offen und auf jeder Seite befinden sich 2 Waschbecken. Es gibt zwei Toiletten und zwei Duschen in jedem Zimmer. Großes Lob an die Stadt. Viel kann sie bei 5,00 Euro pro Person nicht verdienen. Das Kellergeschoß erschließt eine großzügig ausgestattete Küche, Aufenthaltsraum und Waschmaschinen mit Münzeinwurf. Den Preis dafür weiß ich nicht, denn Steve hat mich auf die Wäsche eingeladen. Er ist kurz nach uns eingetroffen. Ich nehme inzwischen Platz im hauseigenen Computerraum und bearbeite die vielen Bilder die ich heute gemacht habe. Beim Schreiben komme ich nicht recht voran. Ständig laufen bekannte Gesichter an mir vorüber. Ich meine alle die ich bisher am Camino kennengelernt habe, schlafen hier. Platz genug ist ja, für 150 Pilger, wie ich erfahren habe. Etwas verspätet sind auch Sherri und Kristi eingetroffen. Wir verabreden uns zum Abendessen, heute schon für 18:00 Uhr.

Die Wolken haben sich jetzt fast gänzlich verzogen und wir verzehren unser Pilgermenu an der Plaza neben der Kathedrale, auch wenn es kühl ist, aber die Sonne wärmt ein wenig. Es ist Sonntag und wir besuchen gemeinsam den Gottesdient, daher auch das frühe Abendessen. In der Kathedrale treffen wir Wolfgang, der seinen Weg hier in Burgos beenden muss. Er lädt uns noch zu einer Abschluss Flasche Rotwein ein. Gerne wäre er noch weiter gegangen mit uns. Er ist sichtlich traurig, aber er hat beschlossen den Camino Frances nächstes Jahr zu Ende zu gehen und er wird ihn nochmals von Beginn an, von Saint Jean Pied de Port, in Angriff nehmen. Auch Anna will es so halten, die wir heute Abend zwar nicht mehr sehen, die es uns aber schon in Logrono angekündigt hat. Der Camino zieht einen in seinen Bann, mit jedem Kilometer mehr. Wir verabschieden uns von Wolfgang und lassen dann den Abend, bis zum Zapfenstreich um 22:30 Uhr, in der Kneipe gegenüber der Albergue ausklingen. Hier gibt es auch das Lieblingsbier von Steve, das San Miguel und es ist um die Hälfte günstiger als in den Lokalen an der Plaza. Die Kellnerin verspricht uns für morgen einen sonnigen Tag, so verkündet es der spanische Wetterbericht, hat sie gesagt und wir glauben es ihr gerne.

Erkenntnis des Tages: "Wenn der Camino einmal gefangen hat, den lässt er nicht mehr los.“

Tag 13: Hornillos

Die nachfolgenden Bilder sind in der Reihenfolge des gegangenen Weges gelistet.


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