Etappe 14 – Der Weg der Mohnblumen. (Neu überarbeitet)
03.06.2014 – 21 Kilometer von Hornillos del Camino bis nach Castrojeriz - dem Glanz vergangener Tage. Sonnenschein von früh bis spät und es wird wärmer.

Es ist das erste Mal das ich den Tag mit leichter Kleidung beginne, lediglich das T-Shirt trage ich noch unter dem Hemd. Sherri ist heute schon vor uns losmarschiert. Sie hat das Haus bereits verlassen, als ich noch das Badezimmer aufgesucht habe. Sie wollte den Sonnenaufgang bei klarem Himmel erleben. Ich werde mir danach die Bilder ansehen. Unser heutiges Ziel ist Castrojeriz, der Besitzer der Albergue die wir jetzt eine Stunde nach Sherris Aufbruch gemeinsam verlassen, hat uns die Stadt nahegelegt. Es sind zwar nur 21 Kilometer bis dorthin, aber wir folgen seinem Rat und bleiben heute ausnahmsweise einmal zusammen, den ganzen Trail über. Ich empfinde das Wandern auf dem Camino nicht mehr als Strapaze, es macht Spaß; liegt sicher auch an dem herrlichen Wetter. Mein Knie wird auch erträglicher, obwohl, die Tabletten fordert es nach wie vor, auch wenn ich sie auf zweimal am Tag reduziert habe. Sie neigen sich nämlich dem Ende zu. Auf drei bis vier Tage kann ich es somit noch hinauszögern, danach muss mein Knie ohne Drogen zurechtkommen. Aus 4 bis 5 Tage, wie von der Ärztin verordnet, sind es schließlich mehr als 2 Wochen geworden. Ich bin guter Dinge, dass es klappen wird.

Es ist ein herrlicher Tag, der Weg führt uns entlang überschaubarer Hügel und rote Mohnblumen begleiten uns. Kristi ist regelrecht verliebt in dieses Rot. Ständig müssen wir stehen bleiben und Fotos machen und oft erstrecken sie sich wie Seen über die Wiesen. In Hontanas machen wir dann Mittag. Ein 70 Einwohner Ort, in eine Senke gelegt, uralt und doch blüht er durch die vielen Pilger. Die Sonne haucht ihm zusätzlich Leben ein. Vielleicht breche ich heute nochmals den Rekord beim Fotoschießen der letzten Tage. Ich lache jetzt auch immer auf den Fotos, auf denen ich zu sehen bin. Sherri und Kristi haben es mir beigebracht. Ich sehe immer so ernst darauf aus, haben sie mich bekrittelt, als würde ich gezwungen werden mitzugehen. Es sind nur Kleinigkeiten, aber der Camino feilt an deiner Persönlichkeit, eindeutig zum Besseren, wie wir alle finden. Und, sollte ich auf den Bildern wirken, als hätte ich zu viel gegessen, so ist es lediglich die Dokumententasche, die ich unter dem T-Shirt oder Hemd verborgen trage. Obwohl, ich esse hier bestimmt das doppelte als zuhause, nehme aber nicht zu, eher ab. Hontanas soll früher einmal Fontanas geheißen haben, die spanische Übersetzung für Brunnen. Entstanden soll der Ort und der Name, durch die gute Wasserversorgung, also der vielen Quellen, die ringsum entspringen. Ein Brunnen am kleinen Vorplatz zur Kirche, lädt die Pilger zu frischem Quellwasser ein. Uns gefällt es hier, doch es wird Zeit weiterzugehen.

Als nächstes empfängt uns San Anton. Der Camino führt mitten durch das Bogengewölbe, das hier einst Kloster und Kirche verband und dann sind wir auch schon in Castrojeriz, wo uns Sherri mit halbe Liter Krügen, frisch eingeschenktem Bier erwartet. Sie hat uns schon von weitem erblickt und die Bestellung darauf abgestimmt. Danke Sherri. Sie hat auch bereits eine Unterkunft für uns organisiert. Ganz begeistert erzählt sie davon. Nach einer weiteren Runde Bier, nehmen wir die Albergue erwartungsvoll in Augenschein. Die Begeisterung hält sich in Grenzen. Sie ist alt, wie die gesamte Stadt, aber ein wenig Flair kann ich der „Casa Nostra“ nicht absprechen. Noch mehr Ausstrahlung besitzt unübersehbar diese alte Stadt. Castrojeriz war im Ausklang des ersten Jahrtausends, ein Bollwerk gegen die Mauren. Eine Burgruine zeugt von diesen Schlachten. Sie thront hoch oben auch auf dem Hügel, um den sich die Stadt schwingt. In seiner Blütezeit, die bis ins 13. Jahrhundert anhielt, befanden sich dort den Überlieferungen nach, 6 Kirchen, 8 Hospitäler und 3 Klöster. Heute leben in Castrojeriz, das sich über 1,5 Kilometer entlang des Erdwalls erstreckt, nur noch annähernd 840 Menschen. Vor ein paar Jahren hatte sie ihren bisherigen Tiefpunkt erreicht, mit weniger als 600 Einwohnern.

Am frühen Abend schafft es Sherri dann, mich wirklich zu verzaubern. Sie führt mich mit Kristi in das Anwesen von Mia und Mau. Die beiden haben es am Nachmittag entdeckt, als ich die Erlebnisse des heutigen Tages in meinen Tablet PC klopfte. Mia stammt aus Valencia, ist Anfang vierzig und hat Mau, er kommt aus Nepi in Italien, 2003 auf dem Camino Frances kennen und lieben gelernt. Sie haben sich auch in Castrojeriz verliebt und hier in hingebungsvoller Kleinarbeit ein Anwesen geschaffen, das einem spirituellen Panoptikum gleichkommt. Ihr Haus steht jedem Besucher offen. Bis auf ihr Schlafzimmer darf man alle Räume betreten. Ich fühle mich um Jahrhunderte zurückversetzt. Wenn sie jemand besuchen will. Ihr Haus befindet sich inmitten der langgezogenen Stadt, in einer der oberen Gassen, die den Hügel entlang führen. Es sind nicht viele Pilger die hier Unterschlupf suchen. Castrojeriz befindet sich 42 Kilometer nach Burgos, ein gern gesuchtes Etappenziel. Viele beginnen ihre Reise auf dem Camino Frances auch erst in Burgos. Für einen Tagesmarsch liegt Castrojeriz zu weit entfernt und für zwei Etappen zu nahe. Die Stadt wird auch nicht in den Reiseführern als Nächtigungsziel gewählt. Wir verdanken es auch nur dem Besitzer der Albergue El Afar. Er hat uns Castrojeriz ans Herz gelegt und ich möchte mich auf diesem Wege nochmals bei ihm bedanken. Man sollte Kontakt zur einheimischen Bevölkerung suchen, wann immer es möglich ist, denn sie kennen ihr Land am besten.

Erkenntnis des Tage: Die Zeit verschwindet in den Städten und Dörfern auf dem Camino.

Rückblick auf die 2. Woche

Tag 15: Fromista

Die nachfolgenden Bilder sind in der Reihenfolge der gemachten Aufnahmen gelistet.


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