Etappe 3 – Der Weg des Kennenlernens. (Neu überarbeitet)

23.05.2014 – 22 Kilometer von Zubiri bis nach Pamplona. Auch wenn der Morgen noch schwer auf mir lastet, mit Schmerzen, Nässe und Kälte, wird er sich zum Abend hin aufhellen und mich erwärmen.

Die Schmerzen in meinem linken Knie haben mich nicht verlassen, lediglich die Kraft der Injektion und dies bereits seit ein oder zwei Stunden. So genau weiß ich es nicht, aber ich freue mich regelrecht darüber, dass es 6:00 Uhr geworden ist. Zeit zum Aufstehen. Ich schwanke schief, mein Gewicht auf die rechte Körperhälfte verlagert und nur leicht bekleidet, über den Hof zu den sanitären Anlagen. Auch heute funktioniert wieder alles reibungslos, keine Wartezeiten. Mein Knie pocht auf eine Tablette. Laut Anweisung sollte ich jeweils eine nach dem Frühstück, nach dem Mittagessen und eine nach dem Abendessen einnehmen. Ich habe noch ein Stück Baguette von gestern und es wird mein Frühstück. Eine Zeit zum Warten habe ich nicht, mein Bein verlangt nach seiner Medizin. Um 7:30 Uhr bin ich abmarschbereit. Die meisten sind bereits wieder unterwegs. Es regnet leicht und die Tablette entfaltet ihre Wirkung, die Schmerzen lassen ein wenig nach und der Stock den ich jetzt verwende, macht es mir auch leichter. Immer wieder setzen heftige Schauer ein und der Regenponcho bleibt mein ständiger Begleiter, sowie auch viele kleine und größere Dörfer. Ich treffe auf den Spanier mit seiner Frau. Er freut sich mich zu sehen, mehr aber noch, dass ich seinen Rat befolgt habe. Wir trinken gemeinsam einen Kaffee und warten einen starken Regenguss ab, der von mächtigen Blitzen durchzogen wird. Es geht weiter, getrennt voneinander. Ein riesiger Erdwall erwartet mich, Berg wäre zu viel gesagt. Ich sehe Menschen mit Rucksäcken auf ihren Rücken, im Gänsemarsch an ihm hochsteigen. Mir wird flau im Magen und ich höre wie mein Knie zu rebellieren beginnt. Der Aufstieg verläuft aber recht gut, obwohl es sehr steil und durch den Niederschlag, immens rutschig ist. An den gefährlichsten Stellen sind Holzbalken in die rote Erde geschlagen, um das Erdreich zu befestigen, aber auch um einem Abrutschen der Pilger zu verhindern. Ich schaffe es unbeschadet hoch und bin erleichtert, dass es nun auf einer asphaltierten Straße, gemäßigt nach unten geht. Ich erreiche Villava, wieder über eine steinerne Brücke. Die anfangs schmalen Gassen werden zu Straßen und erstmal begleitet mich dichter Autoverkehr. An einem Supermarkt mache ich halt. Übrigens heißen hier alle kleinen Lebensmittelläden Supermarkt. Es ist 13:00 Uhr, Zeit für ein Mittagessen, bestehend aus Baguette und Trockenwurst, immer noch von zu Hause. Der Regen hat sich zurückgezogen und die Sonne blinzelt durch die Wolken, noch etwas scheu, aber sie ist gewillt daraus hervorzutreten. Ich setze mich auf eine Parkbank, um mein Bein zu entlasten. Das hätte ich besser nicht tun sollen, denn jetzt fängt es so richtig zu pochen und zu hämmern an. Wo sind meine Tabletten? Ich hätte schon früher halt machen sollen. Die Jause würge ich im Stehen hinunter und danach eine Tablette.

Es ist schon recht sonnig geworden und ich versuche mich zu orientieren, den Kontakt zu den gelben Pfeilen wieder aufzunehmen. Sie führen mich durch Häuserschluchten und dann zu einer großen Brücke. Ich habe schon lange keine Pilger mehr gesehen und umso mehr freut es mich nun, auf der anderen Seite der Brücke zwei Männer mit Rucksäcken zu sehen. Es sind Manfred und Karl aus Massenbachhausen, in Deutschland. Wir unterhalten uns, es ist auch schön, sich wieder einmal in der Muttersprache zu unterhalten. Sie erklären mir, dass sie nicht in Pamplona bleiben, sondern noch ein Stück weiterziehen wollen. So erfahre ich auch, dass ich mich bereits in Pamplona befinde und Villava ein Vorort ist. Wer hätte das gedacht. Sie geben mir auch den Tipp mit der deutschen Herberge, der Albergue Paderborn, 200 Meter von hier stadteinwärts und sie wird von der Jakobsbruderschaft Paderborn geführt.

Jetzt sitze ich hier und trinke mit Doris und Ernst einen Kaffee, die ehrenamtlichen Helfer in dieser Herberge. Es sind meist Paare, die ihren Dienst zur Verfügung stellen, im Wechsel von 3 Wochen, unentgeltlich. Die Albergue ist nicht besonders groß, ich denke an die 20 Pilger werden hier Platz finden. Sie hat alles was man benötigt, es gibt sogar Frühstück und was mich besonders freut, eine Decke für die Nacht, alles um 8,50 Euro. Ich lerne hier viele Deutsche kennen. Zwei Großeltern mit ihrem 6-jährigen Enkelsohn. Sie sind sogar ein paar Jahre jünger als ich, ich konnte es kaum glauben. Daniel aus Mainz, er ist von Bonn aus losmarschiert und bereits 66 Tage unterwegs, Wahnsinn. Auch Anna, die ich gestern kennengelernt habe, ist hier untergekommen. Ernst der Hüter der Herberge, empfiehlt mir ein Restaurant für den Abend, wo es günstige Pilgermenüs geben soll und wirklich, ich bestelle aus einem dreigängigen Menü. Als Vorspeise eine Auswahl an Pasta, Salaten und Fisch. Bei der Hauptspeise kann man aus verschiedenen Fleisch und Fischgerichten wählen und zum Nachtisch gibt es noch Eiscreme, Früchte und natürlich das Nationalgericht den „Flan“, ein Karamellpudding. Hier findet jeder etwas, sogar ich. Zum Drüberstreuen gibt es noch aufgeschnittenes Baguette in einem Körbchen. Das ist aber noch nicht alles, für den Durst bekommt man eine Flasche Rotwein oder wer will auch Wasser und das alles für sage und schreibe 10,00 Euro. Das Restaurant heißt Cafeteria Palace und befindet sich im Zentrum von Pamplona, angrenzend an den Platz an dem Ernest Hemingway wohnte und dem Café wo er vermutlich die Idee für seinen Roman Fiesta fand und das hineinfliest in die Altstadt, wo jedes Jahr im Sommer die Kampfstiere entlang getrieben werden. In diesen Gassen bewege ich mich nun, begleitet von neuen Freunden, gefunden im Restaurant zuvor. Es sind Anna, die ich schon seit gestern kenne und neue Gesichter wie Wolfgang (48), ebenfalls aus Deutschland, Chris (59), aus der Grafschaft Essex in England, Kristi (51) und Sherri (57), beide kommen aus Oregon in den Vereinigen Staaten und Steve der 54-jährigen Australier aus Brisbane. Sie haben mich im Lokal angesprochen und mich aufgefordert zu ihrem Tisch zu kommen, eine wirklich lustige und nette Runde und sie haben sich auch alle erst hier, auf dem Camino kennengelernt. Es ist Freitagabend und trotz der kühlen Temperatur von 13 Grad, ich sehe es auf einer Anzeige an der Häuserfront, wo auch der Countdown für den kommenden Stierlauf abgespielt wird, sind die Gassen übersät mit Menschen. Wir erreichen die Plaza del Toro, die Arena wo der anschließende Stierkampf, nach dem Treiben durch die Straßen, stattfinden wird und dann sind es noch fünf Minuten den Hügel hinunter und wir sind an der Albergue Paderborn. Auch alle meine neu gewonnen Freunde schlafen dort. Es ist noch etwas früh, uns bleiben noch 15 Minuten bis zum Zapfenstreich und so verbringen wir diese Zeit, sitzend auf der schmalen Steinbrücke, die den Fluss Arga überspannt. Unsere Füße baumeln über dem Wasser und zum ersten Mal spüre ich so etwas wie Verbundenheit, auf dem Camino Frances.

Erkenntnis des Tages: Die beste Regie führt der Zufall.

Tag 4: Puente la Reina


Die nachfolgenden Bilder sind in der Reihenfolge der Aufnahme gelistet, also dem Wege von Zubiri bis nach Pamplona.


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