Etappe 4 – Der Weg der Steine. (Neu überarbeitet)

24.05.2014 – 24 Kilometer von Pamplona bis nach Puente la Reina. Der erste Tag ohne Regen, viel Sonnenschein, aber nicht allzu warm. Der Weg war mit großen Steinen gepflastert.

Ich bin jetzt Teil einer Gruppe aus 8 Pilgern. Zu den Bekanntschaften von gestern Abend, gesellt sich nun auch Gina, ein 32-jähriges Mädchen aus Chicago, in den Staaten. Sie hatte das Restaurant frühzeitig verlassen, da sie in die Kirche ging und hatte somit Platz für mich geschaffen. Reiner Zufall oder hat der Camino Regie geführt. Um 6:00 Uhr warf uns Kurt aus den Betten, besser gesagt er befahl uns aufzustehen. Es ist stark bewölkt, bei 12 Grad, als wir aus Pamplona rausmarschieren. Eine Stadt mit 197.000 Einwohner und jährlich wird sie von zehntausenden Pilgern durchquert. Uns erwartet heute ein großer Anstieg zum Alto del Perdon, den Berg der Winde, wie ich ihn nenne. Entlang des gesamten Bergrückens sind Windmühlen aufgefädelt, man sieht sie schon von der Ebene aus. Es ist der Übergang zur autonomen Gemeinschaft Navarra. Auf Deutsch heißt er, Berg der Läuterung und ist ein Ort der Marienverehrung. Unweit unter dem Gipfel entspringt eine Quelle. An dieser soll der Teufel den Pilgern zu trinken angeboten haben, wenn sie Gott, die heilige Jungfrau oder zumindest den heiligen Jakobus verleugnen, was sie aber natürlich nicht getan haben.

Es ist wärmer geworden und die Sonne schafft es den Wolkenschleier zu verdrängen. In einer kleinen Ortschaft, am Fuße des Alto del Perdon, strömt eine Schar Wanderer aus zwei Bussen. Spanier. Sie wollen alle den Berg hoch. Instinktiv verschärfen wir das Tempo. Wir wissen nicht ob es sich um Tagestouristen handelt oder ob sie auch in Puente la Rainer übernachten wollen. Die Schrittfolge von Kristi und mir sind identisch, auch wenn sie mehr als einen Kopf kleiner ist als ich und wir haben uns ein gutes Stück vom Rest der Gruppe abgesetzt. Kristi ist eine Frohnatur. Sie bedeckt ihre strohig blonden, bis in den Nacken reichenden Haare mit einer Schirmkappe. Hätte sie mir gestern nicht gesagt, dass sie 51 Jahre alt ist, ich würde es nicht glauben. Immer wieder zupft sie Erbsen aus den Feldern, um uns herum. Sie mag Obama nicht und gibt mir zu verstehen, dass seine Wähler Großteils Zuwanderer sind oder Leute die nicht arbeiten wollen. Ebenso seinen Vorstoß mit der Krankenversicherung, auf die ich sie anspreche, findet sie nicht gut. Wer eine geregelte Arbeit hat, ist versichert, wäre also wiederum nur für die zuvor angesprochenen Gruppen. Ich sollte es aber Gina gegenüber nicht erwähnen, da sie sehr angetan von Obama ist.

In Zariquiegui, diesem kleinen Dorf mit dem unaussprechlichen Namen, fülle ich nochmals meine Wasserflasche voll und esse eine Kleinigkeit. Unsere Gruppe schiebt sich auch wieder zusammen und wir erreichen fast geschlossen den Alto del Perdon. Neben den Windmühlen erwarten uns auch die bekannten Pilgerskulpturen. Eine Einladung um Fotos zu schießen. Danach geht es abwärts, nicht nur im Gelände, sondern auch mit meiner Psyche. Der steil abfallende Weg ist mit großen Steinen gepflastert und stellt mich, was das aushalten von Schmerzen angeht, auf die Probe. Irgendwie schaffe ich es hinunter und dann geht es noch 17 Kilometer, in einer leicht abschüssigen Landschaft, bis nach Puente la Reina. Beim Abstieg über diese Geröllhalte habe ich alles um mich herum ausgeblendet. Ich weiß nicht mehr, sind meine Freunde vor oder hinter mir. Andere Pilger sehe ich auch nicht, aber mit jedem weiteren Schritt wird mein Knie wieder erträglich. Ich stoße auf Carola und Franziska, zwei deutsche Frauen etwas älter als ich, die ich ebenfalls in der Albergue Paderborn kennengelernt habe. Franziska war früher einmal eine namhafte Marathonläuferin, erklärt mir Carola, als ihre Freundin plötzlich zu laufen beginnt. Franziska ist 64 und obwohl sie einige Jahre älter ist als sie, machen ihr die Strapazen nichts aus. Ja sie muss manchmal sogar laufen, um sich wieder ins Gleichgewicht zu bringen, erzählt mir Carola weiter und das mit vollem Gebäck.
In Obanos, wo gerade ein Dorffest stattfindet, verlaufen wir uns wieder. Ich gehe alleine weiter und um 14:30 Uhr bin ich Puente la Reina. Ich bleibe vor der Albergue Jakue stehen und warte. Mein Gefühl sagt mir, dass sich meine neuen Freunde hinter mir befinden und bald kommt auch schon Wolfgang. Er übernachtet heute in einem Hotel, gibt er mir zu verstehen, aber auch, dass die anderen nach ihm kommen. Ich warte eine volle Stunde und dann kommen alle geschlossen des Weges. Ich habe mir zuvor schon die Albergue angesehen und wir kommen alle gemeinsam in einem abgetrennten Raum unter. Ich bezahle 8 Euro für die Nächtigung und 13 Euro für ein, keine Wünsche offenlassendes Buffet am Abend, inklusive Wein und Bier, soviel man will. Bisher, die mit Abstand beste und preiswerteste Unterkunft. Ich lerne dort auch noch Sylvie und Rod kennen. Beide sitzen an unserem Tisch beim Abendessen, kommen aus Kanada und haben sich ebenfalls zuvor nicht gekannt. Es war heute der erste trockene Tag, auch wenn jetzt wieder die Regentropfen an die Fensterscheiben prasseln. Morgen wollen wir nach Estella.

Die Erkenntnis des Tages: Die Spanier sind sehr gut zu ihren Pilgern.

Tag 5: Estella

Die nachfolgenden Bilder sind in der Reihenfolge der Aufnahme gelistet, also dem Wege von Pamplona bis nach Puente la Reina.


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