Begonnen hat alles mit einem Buch, dem Bestseller von Paulo Coelho, „Auf dem Jakobsweg“. Ich war davon so fasziniert, dass ich gleich losmarschieren wollte. Es sollte aber noch 25 Jahre dauern,
bis ein unschönes Ereignis die Erinnerungen daran wieder hervorkehrte, aus den am stärksten behüteten Verstecken meiner Gedankenwelt. Sie waren abgelegt und aufbewahrt für jenen Zeitpunkt, der
unausweichlich auf einen zukommen wird und mit einem Mal tauchten sie vor mir auf. Ich hatte auf einen Schlag 8 Wochen Urlaub zu verbrauchen, aber nicht nur das. Es galt neue Perspektiven zu
finden, mit dem Gewohnten abzuschließen, dem Verlorengegangenen nicht nachzutrauern und nicht zuzulassen, dass Groll und Zorn in mir hochkeimt, den Beteiligten gegenüber.
Es ist der klassische Jakobsweg, den ich 2014 gegangen bin, 800 Kilometer durch den Norden von Spanien, zu Fuß in 30 Tagen. Man nennt ihn „Camino Frances“ und er hat mir eine Geschichte erzählt.
Ich habe sie aufgeschrieben und es ist ein Buch daraus entstanden. „The 6 Peregrino“, eine Zeitenreise zwischen Gegenwart und Vergangenheit auf dem Camino Frances. Eine Reise die schon vor 880
Jahren ihren Weg genommen hat und die erst kürzlich zu Ende gegangen werden konnte.
Begleiten Sie mich entlang des Camino Frances, tauchen Sie mit mir ein in seine Geheimnisse und wischen für einen Augenblick den Alltag von sich, der beharrlich und erdrückend auf jedem von uns
klebt. Folgen Sie der Entstehung eines Romans, in 30 Tagesetappen und die Reise beginnt in Saint Jean Pied de Port, am Fuße der Pyrenäen, noch in Frankreich liegend.
Zuvor aber, musste noch der Weg der Anreise gefunden werden. Ich habe mich nach langen Überlegungen für die Eisenbahn entschieden, es erschien mir als die vernünftigste Lösung und im Nachhinein betrachtet, war es auch die richtige Entscheidung. Von Judenburg aus ging es nach München. Von dort, in einem Schlafwagenabteil nach Paris und danach weiter mit dem TGV bis Bayonne, den südlichsten und dem am nächstliegenden Ort von Saint Jean Pied de Port, den man bereits vorab über das Internet buchen konnte. Immer wieder plagten mich Zweifel das richtige zu tun. Das Grab eines mir Unbekannte zu besuchen, durch ein Land zu marschieren, dessen Sprache ich nicht mächtig bin. Bedacht der körperlichen Strapazen, die auf mich zukommen werden und dem Ungewissen, das mich erwartet, habe ich mir Zug um Zug die Ausrüstung besorgt, den Pilgerausweis angefordert und die Anreise, sowie auch die Rückreise gebucht. Ich hatte dafür ein Zeitfenster von zwei Monaten und ständig nagte die Ungewissheit an mir. Auch dann noch als ich schon im Personenzug nach München saß. Ich hatte zu viel gepackt und dennoch nur das Nötigste. 12 Kilogramm hat mein Rucksack auf die Waage gebracht und er wollte über den gebirgsreichen Landstrich von Spanien getragen werden. In Paris hatte ich 3 Stunden Aufenthalt. Fünf Kilometer lagen zwischen den beiden Bahnhöfen, der Ankunft von München und der Abfahrt nach Bayonne. Genügend Zeit also um die Strecke zu Fuß zu gehen. Aus Platzgründen hatte ich meine Trekkingsandalen, außen am Rucksack befestigt und glatt einen davon verloren. Ich war schon fast in Montparnasse, als ich das bemerkte, dem Bahnhof von dem mich ein Zug weiter nach Bayonne bringen wird. Soweit ich mich an den zurückgelegten Weg durch Paris erinnern konnte, ging ich ihn zurück, auf der Suche nach meinem Trekkingsandalen. Es war vergebens und am Ende hatte ich noch damit zu kämpfen, den Zug rechtzeitig zu erreichen.
Am 20.05.2014 um 17:30 Uhr war ich in Bayonne und ungefähr 70 Menschen mit Rucksäcken erwarteten mich am Platz vor dem Bahnhof, wo mich dann ein Bus zu meinem Ausgangspunkt meiner Reise gebracht hat. Das erste Mal hatte ich das Gefühl, angekommen zu sein auf meinem Weg.
Ich sitze jetzt in einer Pizzeria, im wirklich schönen Örtchen Saint Jean Pied de Port, verdrücke eine Pizza, die unübertroffen scheußlich schmeckt, aber der Hunger lässt meine Finger nicht von ihr. Meine erste Albergue, so nennt man die Herbergen auf diesem Abschnitt des Jakobsweges, teile ich mit acht anderen Personen. Ich hämmere gerade die Umstände meines da sein, in dieser von Rucksäcken verstellten Ortschaft und morgen früh, so Gott will, beginnt mein Abenteuer auf dem Camino Frances.